Philipp Mahltig – “The Interconnected City in Germany and China”

Author Luisa Keinprecht
Published October 2018
Location Berlin
© R. Sampson

Das deutsch-chinesische Alumni-Netzwerk URBANI[XX] fördert und stärkt die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum Themenfeld Urbanisierung und Stadtentwicklung. Ziel des vom BMBF geförderten Vorhabens ist der systematische Aufbau eines deutsch-chinesischen Alumni-Netzwerks zum Thema Urbanisierung und Stadtentwicklung. Städte nachhaltig und inklusiv zu gestalten, ist eine der größten und komplexesten Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Multilaterale Netzwerke von Alumni mit Akteuren aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik schaffen innovative Lösungsansätze. Ein Alumni-Netzwerk, das systematisch deutsche China-Alumni und chinesische Deutschland-Alumni sowie Institutionen aus Wissenschaft und Wirtschaft zum Thema Urbanisierung und Stadtentwicklung vereinigt, existierte vorher nicht. Neu ist dabei, dass der Alumni-Begriff nicht institutionenabhängig gedacht wird. Wer in den relevanten Bereichen längere Zeit im jeweils anderen Land zum Studieren oder Forschen verbracht hat, ist eine passende URBANI[XX]-Alumna bzw. ein passender URBANI[XX]-Alumnus. Durch das Zusammenbringen von exzellenten Forschenden und Praktikern aus verschiedenen Disziplinen werden Fachgebietsgrenzen überschritten und neue Möglichkeiten des Austauschs geschaffen.

URBANI[XX] ermöglicht über den Alumnikontakt und die herausragenden Kompetenzen der beteiligten technischen Universitäten den Zugang zu themenspezifischem Expertenwissen in Deutschland und China.

Vom 13.-17. August 2018 veranstaltete das China Center der TU Berlin einen Workshop zum Thema “The Interconnected City in Germany and China”. Dieser fand im Rahmen des Projektes URBANI[XX] statt. Der Koordinator des Projekts, Philipp Mahltig, berichtet im Interview über Inhalte, Fragestellungen und Ergebnisse. Die Fragen stelle Luisa Keinprecht.

Der Titel des URBANI[XX]-Workshops lautete “The Interconnected City in Germany and China”. Können Sie die konzeptionelle Idee erst einmal erläutern? Wieso dieses Thema? Wo liegt die Relevanz für beide Seiten?

Überall auf der Welt sind Städte durch Vernetzungen geprägt – nicht erst, seit Städte mithilfe von Big Data zu digital-vernetzten Smart Cities werden sollen. Vernetzungen finden auf verschiedenen Ebenen im technologisch-infrastrukturellen, aber auch im sozio-kulturellen Bereich statt bzw. sind dort vorhanden. Einerseits haben wir beispielsweise das Straßen- oder Elektrizitätsnetz. Andererseits haben wir zum Beispiel berufliche, migrantische, politische oder familiäre Netzwerke. Da URBANI[XX] Expert*innen verschiedener Disziplinen zusammenbringen soll, war unsere Idee, diese verschiedenen Ebenen und Formen von Netzwerken innerhalb einer Stadt zu beleuchten. Aber es sollte eben nicht bei separaten Analysen einzelner Netzwerke bleiben, sondern auch die Verbindungen zwischen ihnen wollten wir herausarbeiten. Zum Beispiel: Wie ist eine städtische Bürgerinitiative vernetzt? Welche Rolle spielen dabei – neben politischen Überzeugungen und persönlichen Kontakten – die technologisch-infrastrukturellen Möglichkeiten, etwa das Nahverkehrsnetz, (städtische) Online-Plattformen etc.

Den Begriff „Interconnected City“ haben wir bewusst gewählt, weil wir weniger starke Konnotationen wie etwa Smart City hervorrufen wollten. Bei Smart Cities geht es selbstverständlich auch um die Vernetzung, aber abhängig davon, in welchem Kontext man sich bewegt, liegt der Fokus doch in der Regel auf dem Technologischen. Uns ist natürlich klar gewesen, dass der Begriff „Interconnected City“ ebenso im Zusammenhang mit Smart Cities verwendet wird, aber durch unseren weniger stark konnotierten Workshop-Titel wollten wir einen größeren Bedeutungsrahmen schaffen und mehr Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Bereichen für den Workshop gewinnen. Wenn ich mir die Bandbreite der Beiträge anschaue, würde ich sagen, das ist uns durchaus gelungen.

Ein Anliegen des Workshops war es, die aktuellen Herausforderungen im Bereich Urbanisierung in beiden Ländern zu identifizieren. Welche Erkenntnisse haben Sie dazu gewonnen? Ist ein „Muster“ zu erkennen gewesen? Gab es auch kontroverse Diskussionen?

Es ist schwer, das zusammenzufassen, da sich die Herausforderungen in China und Deutschland selbstverständlich unterscheiden. Klar wurde während des Workshops allerdings, dass in beiden Ländern, Fragen der Urbanisierung und der Stadtentwicklung von zentraler Bedeutung für die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung sind. Und dass dafür Lösungen sowohl auf technischer Seite, als auch auf sozialer bzw. politischer Seite gefunden werden müssen, die sich gegenseitig ergänzen. Und genau da liegt vielleicht auch der Knackpunkt, der mehrmals im Workshop zur Sprache kam: Wie lassen sich diese beiden Sphären gut miteinander verbinden?

Ein wiederkehrendes und kontrovers diskutiertes Thema war der Unterschied und die Verknüpfung von Stadt und Land. Im Zusammenhang hiermit ging es oft um Disparitäten, zwischen Stadt und Land, zwischen arm und reich. Es gab sehr unterschiedliche Auffassungen und Ideen dazu, wie die sozialen Herausforderungen vor allem im Zusammenhang mit einer klimafreundlichen, nachhaltigen Entwicklung in beiden Ländern zu bewältigen sind, welche Lösungen in der Stadtentwicklung benötigt werden. Vermutlich müssen einige etablierte Kategorisierungen wie Stadt/Land überdacht und durch andere Modelle und Definitionen ergänzt oder sogar ersetzt werden.

Wir wünschen immer, dass der deutsche-chinesische Austausch keine Einbahnstraße ist. Was können deutsche Städte von China lernen?

Wir haben innerhalb eines World Cafés die Frage gestellt, was Deutschland von China und China von Deutschland lernen kann. Die Diskussion hierzu hat ein leicht paradox erscheinendes Ergebnis hervorgebracht: Es wurde bemängelt, dass viele Prozesse in Deutschland zu lange dauern, in China hingegen alles viel schneller zu geschehen scheint. Auf der anderen Seite wurde allerdings bemerkt, dass die chinesischen Lösungen und Umsetzungen oft nicht mit der deutschen Qualität mithalten könnten. Aus meiner Sicht bedingt allerdings zu einem großen Teil das Eine das Andere. Hier den „Weg der Mitte“ zu finden, scheint keine einfache Aufgabe zu sein. Ein wichtiger Aspekt in der Diskussion hierbei war unter anderem der Umgang mit Beteiligungsverfahren an Stadtentwicklungsprozessen. Vor allem im Bereich der Digitalisierung sahen die Teilnehmer*innen ein Gebiet, in dem China „die Nase vorn“ habe und Deutschland dementsprechend von China lernen könne.

Welche Vorschläge für die deutsch-chinesische Kooperation in Forschung und Praxis wurden vorgebracht, die Sie für besonders relevant halten?

Wir haben in einer konzertierten Frageaktion eine Reihe an Ideen gesammelt, zu denen die TeilnehmerInnen sich weitere Aktivitäten und Forschungsprojekte wünschten: Genannt wurden dabei praktisch alle Herausforderungen und Dimensionen der Stadtentwicklung und Urbanisierung. Am wichtigsten erschien die Möglichkeit zum kontinuierlichen Gedankenaustausch und Dialog auf Augenhöhe! Als Grundvoraussetzung wurde betont, dass es ein Grundverständnis des jeweils anderen Landes, seiner Geschichte und Werte geben muss. Eine schöne Bestärkung unserer täglichen Arbeit!

Wie geht es weiter mit URBANI[XX], was steht als nächstes auf der Agenda?

Wir müssen die Impulse aus dem Workshop nutzen, um die neuen Kontakte und Verbindungen zu stärken. Ein konkretes Beispiel kann ich hier nennen: Im Oktober erkundeten unsere Kolleginnen und URBANI[XX]-Teammitglieder, Dr. Tania Becker und die Fotografin Rebecca Sampson, in Begleitung eines chinesischen Forscherteams drei Tage lang die chinesische Hinterlandregion Huangyuan-Taizhou, Provinz Zhejiang (450 km entfernt von Shanghai). Tongji-Professor YANG Guoqing vom College for Architecture and Urban Planning (CAUP) und seine Mitarbeiterin und TUB-Alumna, HUANG Huang, hatten zu diesem Gast-Aufenthalt eingeladen, um uns die neu entstandenen dörflichen Strukturen vor Ort zu zeigen. Die neu erschaffene Infrastruktur trägt im Wesentlichen zur Wiederbelebung des öffentlichen Raumes bei und erhöht die Lebensqualität und Attraktivität der Dörfer. Sie werden so gleichermaßen zum Treffpunkt der ländlichen wie der urbanen Bevölkerung. Diese neuartigen Strukturen dörflicher Regionen und die Transformation der Städte waren auch Thema bei unserem Workshop, wir diskutierten die Frage nach dem überkommenen geografischen Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Stadt und Land – und werden diese Diskussion beispielsweise im deutsch-chinesischen Gemeinschafts-Projekt URA (Urban-Rural-Assembly) fortsetzen.

Der offizielle Start des URA-Projektes ist für Januar 2019 geplant. Das internationale Forschungs-Konsortium URA wird auf deutscher Seite federführend von Prof. Philipp Misselwitz und seinem Team (TUB, Habitat Unit) geleitet. Das China Center beteiligt sich an dem 5-jährigen Forschungsprojekt mit sinologischer Expertise und Beratung. Im März 2019 wird das gesamte Forscher-Konsortium mit einer Konferenz an der Tongji Universität das Projekt vorantreiben und die Pionierarbeit von Prof. Yang in der Stadt-Land-Beziehung kennenlernen. Aus dem URBANI[XX]-Workshop haben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte zu dieser Thematik ergeben, wie Wasserversorgung, Transport, Logistik, Migration, Gebäudetechnik, Cultural Heritage usw.

Das URBANI[XX]-Team hilft dabei, bestehende Kooperationen zu intensivieren und neue aufzubauen. Wir sehen bereits, dass unser Online-Portal und die WeChat-Gruppe ebenso dazu genutzt werden. Außerdem werden wir in der nächsten Zeit junge Absolvent*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen im Rahmen des Mentorenprogramm von URBANI[XX] zusammenbringen.

Die Veranstaltung im August war der Auftakt einer internationalen Workshop-Reihe, die neben dem Austausch über die digitalen Medien des Netzwerks den persönlichen Kontakt ermöglichen soll. Der nächste Workshop steht bereits fast vor der Tür: Er wird im Mai 2019 an der Tongji Universität in Shanghai in Kooperation mit unseren Partnern vor Ort, dem CAUP und dem Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg (CDHK), durchgeführt werden. Im Anschluss veranstaltet der DAAD mit seinem Begleitprogramm Deutsch-Chinesisches Alumni-Netzwerk (DCHAN) einen zweitägigen Vernetzungs-Workshop in Beijing. URBANI[XX] wird dort aktiv teilnehmen und seine Arbeit vorstellen.

Philipp Mahltig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Cultural Studies on Science and Technology in China (China Center) der TU Berlin. Derzeit arbeitet er dort unter anderem als Projektkoordinator für das URBANI[XX]-Alumni-Netzwerk und schreibt an seiner Dissertation zur Aneignung westlicher Technologien in China. Er hat Sinologie, Soziologie und Chinesische Sprache an der FU Berlin und der Peking Universität studiert.

Kontakt
philipp.mahltig@tu-berlin.de
Deutsch-Chinesisches Alumni-Netzwerk Urbanisierung und Stadtentwicklung

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