Möglichkeiten und Varianten von Partizipation in China

Author Prof. Katja Levy
Published October 2017

Frau Prof. Levy, was ist der Inhalt Ihres Forschungsprojektes in China, zu welchen Fragen arbeiten Sie?

Ich arbeite gerade an einem Forschungsprojekt im Bereich Zivilgesellschaft in China (www.logoso-project.com). Es ist ein vergleichendes Forschungsprojekt, das ich gemeinsam mit PolitikwissenschaftlerInnen der Universität Münster und der chinesischen National School of Governance 国家行政学院 durchführe: Wir vergleichen, wie der Staat in Deutschland und in China öffentliche Dienstleistungen an zivilgesellschaftliche Organisationen „outsourct“. Die Bereitstellung solcher öffentlicher Dienstleistungen, z.B. das Betreiben einer Schule, ist eine Form von Partizipation am Governance-Prozess. Mich interessieren die Gestaltungsmöglichkeiten, die die zivilgesellschaftlichen Akteure durch diese Kooperationen auf lokaler Ebene haben, und die Innovationen, die dabei entstehen.

Wie beurteilen Sie Möglichkeiten und Grenzen für Teilhabe insbesondere bezogen auf Stadtgestaltung derzeit in China?

Es gibt ja viele Arten der Partizipation. Im Zusammenhang mit China steht oft die politische Partizipation im Vordergrund, also Wahlen, öffentliche Debatten, Bürgerbeteiligung an Infrastrukturprojekten u.ä.

Auf der einen Seite sind diese politischen Partizipationsformen in China nur eingeschränkt vorhanden. Wahlen gibt es nur auf den unteren administrativen Ebenen; ein Wettbewerb der politischen Parteien ist nicht vorgesehen. Öffentliche Debatten gibt es, z.B. im Internet und in den akademischen Fachzeitschriften, aber sie können – je nach Thema – durch  (Selbst-)Zensur eingeschränkt werden. Das Petitionssystem wird nicht selten von lokalen Behörden boykottiert. Auf der anderen Seite gibt es in China eine Reihe von Mechanismen und Instrumenten, sich an politischen Prozessen zu beteiligen, die sich in der jüngeren Vergangenheit durchaus wirksam gezeigt haben: Öffentliche Intellektuelle haben durch ihre Bücher, Artikel und Blog-einträge politische Reformen geprägt; Menschen haben durch Demonstrationen und mit Petitionen auf Missstände aufmerksam gemacht; Experten und zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligten sich mit (zumindest teilweisem Erfolg) an Gesetzgebungsprozessen. Und es gibt auch rechtliche Instrumente der Beteiligung, z.B. im Rahmen der Umweltfolgenabschätzung (中华人民共和国环境影响评价法 (2016修正), bei Infrastrukturprojekten oder bei Gerichtsprozessen im öffentlichen Interesse, in denen auch NGOs Klage gegen Umweltsünder nach Gesetz (中华人民共和国环境保护法–2014修订,§58) erheben dürfen. Diese Mittel finden auch in den Städten Anwendung.

Welche Literatur empfehlen Sie zum Thema?

Mark Leonard (2008), What does China Think?
Mark Leonard (2012), China 3.0
Heinrich Böll Stiftung  (Hrsg.), Wie China debattiert (2009)
Rachel E. Stern (2013), Environmental Litigation in China: A Study in Political Ambivalence.Cambridge: Cambridge University Press.

Prof. Katja LevySeit 2012 ist die Sinologin und Politikwissenschaftlerin Katja Levy Juniorprofessorin für Politik und Recht in China an der FU Berlin. Vorher hat sie u.a. 7 Jahre in Shanghai gelebt, dort in einem weltweit agierenden Konzern und später in Berlin im Deutschen Bundestag gearbeitet.

Kontakt und Links
klevy@campus.fu-berlin.de
www.logoso-project.com