Malina Becker über Stadt im Film – China-Filmfestival in Leipzig

Published June 2017
Location Leipzig
© Sylvia Pollex

Was ist „Deine“ Stadt und warum? Was verstehst Du unter Stadtmachen?

Für mich gibt es nicht die eine Stadt, ich habe zu viele interessante Städte gesehen und lerne immer wieder neue kennen. Mich faszinieren Metropolen wie Peking und Bangkok wegen ihrer Vielfalt, dem spannenden Mix aus Moderne und Tradition. Doch ich mag auch die grüne Idylle und die Radfreundlichkeit von Kopenhagen. Oder die kulturelle Vielfalt Leipzigs. Ich denke, dass es wichtig ist, dass eine Stadt von „innen“ gemacht wird, dass die Menschen, die in der Stadt leben, sie mitgestalten und weiterentwickeln können. Stadtplanung sollte sich an den Interessen und Bedürfnissen der BewohnerInnen orientieren.

Wie bist Du zum Konfuzius-Institut Leipzig gekommen?

Ich habe schon als Studentin am Institut gearbeitet und Veranstaltungen mitorganisiert. Nun arbeite ich hauptsächlich als Redakteurin für das chinesisch-deutsche Magazin „Konfuzius Institut“, das vor drei Jahren ins Leben gerufen wurde. Ziel des Magazins ist es, chinesische Sprache und Kultur zu vermitteln. Mal geht es um Fußball in China, dann um das Bildungswesen oder die Liebe der Chinesen zu ihren Haustieren, wie in der aktuellen Ausgabe. Einen Themenschwerpunkt zum urbanen China (2014/03) gab es übrigens auch schon.

Was konkret hast Du zwischen Deutschland und China mit Stadt zu tun? Woran arbeitest Du gerade?

Derzeit beschäftige ich mich fürs Magazin mit der Automobilindustrie und dem großen Interesse Chinas an der Elektromobilität. Ich denke, dass das die Städte sehr verändern wird und viele Großstädte hoffentlich wieder lebenswerter macht. Ich habe gerade etwas mehr als einen Monat in Peking verbracht und war auch begeistert von den vielen Leihfahrrädern, die nun dort den Verkehr mitbestimmen. Privat interessiert mich das Engagement von Menschen, die sich für eine nachhaltige und gemeinschaftliche Stadtentwicklung einsetzen.

Wie kam es zu der Idee des China-Filmfestivals in Leipzig? Was ist seitdem alles passiert?

Einer chinesischen Freundin und mir fiel auf, dass es nur wenige chinesische Filme in die Kinos nach Deutschland schaffen und nur ein kleiner Teil vom großen China in deutschen Medien gezeigt wird. Wir hatten Lust, dem Leipziger Publikum Filme zu präsentieren, die die Vielfalt des Landes veranschaulichen. Zunächst zeigten wir nur Dokumentarfilme, nun haben wir auch Spielfilme und Kurzfilme mit im Programm. Wir freuen uns, dass wir viele tolle Gäste zu Besuch hatten, wie die CNEX-Gründerin und Produzentin Ruby Chen, die Autorin und Filmemacherin Guo Xiaolu und den LGBT-Aktivisten Fan Popo.

Das Filmfestival hat den zusätzlichen Titel „拆 chai“, was übersetzt „abreißen, auseinandernehmen“ bedeutet. Wie kam es zu der Wahl dieses Themas und zu den ausgewählten Filmen?

Das Zeichen 拆 sieht man in China an Häusern, die demnächst abgerissen werden sollen, insbesondere ist es mir in den Altstadtvierteln aufgefallen. So steht dieses Zeichen für Zerstörung, aber auch für einen Wandel und Neuanfang. Viele unserer Filme zeigen, welche Folgen die rasante Entwicklung Chinas für die Gesellschaft und die Umwelt hat, aber auch welche Chancen hieraus entstehen.

Wie beurteilst Du den zeitgenössischen Dokumentarfilm in China?

Ich empfinde die chinesische Dokumentarfilmszene als sehr vielseitig und spannend. Die jungen Filmemacher werfen sowohl einen kritischen als auch einen reflektierten Blick auf ihr Land und zeigen die Bemühungen der Menschen, sich den Entwicklungen anzupassen, aber auch gegen Unrecht ihre Stimme zu erheben. Das ist nicht immer einfach für Protagonisten und Filmemacher und ich bewundere den Mut und die Ausdauer aller Beteiligten.

Kannst Du uns drei Filmemacher zu urbanen Themen nennen, die du beeindruckend findest? Welche sind das und warum?

Ich finde die Filme von WANG Jiuliang sehr beeindruckend und berührend, der sich mit dem Müllproblem in China beschäftigt. Sein Film „Plastic China“ wurde gerade beim Sundance-Filmfestival gezeigt. Ich mag auch die Filme von LUO Ye, die die Irrungen und Wirrungen der jungen Generation im Großstadtdschungel zeigen. Ein Highlight ist für mich immer noch Wong Kar-Wais „In the Mood for Love“, der wunderschön die Einsamkeit der Menschen in der anonymen Großstadt veranschaulicht.

Wenn Du einen Projektvorschlag im Rahmen der Deutsch-Chinesischen Urbanisierungspartnerschaft einreichen könntest: Was wäre das?

Gerne würde ich einen Austausch im Bereich Urban Gardening initiieren. Das ist erstens eine tolle Möglichkeit, die Stadt grüner zu machen und Flächen sinnvoll zu nutzen, wie beispielsweise Hausdächer, aber auch ein guter Weg, die Menschen zu verbinden und Nachbarschaft wieder lebendig werden zu lassen.

 

Malina Becker ist in Nord- und Süddeutschland aufgewachsen, danach zog es sie nach England, Spanien und China/Taiwan. Sie studierte Sinologie, Kunstgeschichte und Kommunikations- und Medienwissenschaften in Leipzig und Peking. Seit 2014 ist sie Redakteurin des bilingualen Magazins „Konfuzius Institut“ und organisiert Veranstaltungen mit Chinabezug in Leipzig. Gelegentlich ist sie auch als Reiseleiterin tätig.

Kontakt
filmfestival@konfuziusinstitut-leipzig.de

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