For sociology M.A. student LI Mingjiu, healthy city-making means enhancing human rights instead of adhering to neoliberal concerns. For him it is paramount that the individual person is centered as the end to urban health initiatives and not mobilized or discarded as an instrument in the name of urban stability and “harmony.” Read this analysis to learn about his thoughts on healthy city making.
„Stress and the City” ist der Titel eines Buches von Mazda Adli, welches 2017 bei Bertelsmann erschienen ist. Adli ist Arzt und Psychiater, lebt in Berlin und ist bekennender Stadtbewohner. Beruflich erforscht er Stress und behandelt Menschen mit stressbedingten Krankheiten wie Depressionen. Zusammen mit der Alfred Herrhausen Gesellschaft ist Adli Mitgründer des Forums „Neurourbanistik“, einem interdisziplinären Forum aus Stadtplanern, Architekten, Sozialwissenschaftlern und Neurowissenschaftlern, welches sich der Untersuchung von gesundheitsförderlichen und krankmachenden Eigenschaften von Städten widmet.Auf knapp 350 Seiten und in 15 kurzen Kapiteln greift Adli in „Stress and the City“ verschiedene Aspekte des Stadtlebens auf. Vor allem geht es um die Faktoren, die Stress verursachen (können) und den Umgang damit. Eine Leitfrage, die sich durch das Buch zieht, ist jene nach der Annäherung an eine „ideale Stadt“, einer Stadt „die uns emotional gut tut, die uns stimuliert ohne uns zu belasten“.
Zu Beginn erklärt der Autor zunächst, was „Stress“ aus biologisch-medizinischer Sicht eigentlich ist, was für Vorgänge im menschlichen Körper ablaufen, wenn wir Stress empfinden, und was er bewirkt. Er betont, dass Stress nicht nur negativ zu bewerten sei, sondern auch anregend empfunden werden könne. Der Mensch als anpassungsfähiges Wesen brauche ein gewisses Maß an Stress geradezu, um sich weiterentwickeln zu können. Gar kein Stress wäre Stillstand. Problematisch sei vor allem Dauerstress, dem man sich hilflos ausgeliefert fühle. Dieser führe am ehesten zu Krankheiten und müsse daher vermieden werden.
Nach dieser Einführung geht es in den folgenden Kapiteln um die verschiedenen Risikofaktoren in Großstädten, wozu neben den „üblichen Verdächtigen“ wie Lärm, Straßenverkehr und schlechte Luft auch „dunkle Ecken und Angsträume“, sozialer Stress und Fremdheit zählen können. Zu jedem Themenblock macht der Autor Ausflüge in die Geschichte und stellt weltweite wissenschaftliche Studien und ihre Ergebnisse dar – zum Beispiel ein Mapping-Projekt des Psychologen Stanley Milgram zu Paris und New York aus den 1970ern, welches den Fragen nachging, welches Bild sich Menschen von ihrer Stadt machen und welche emotionalen Bezugspunkte sie dort haben (S. 263ff) oder eine Studie zur Frage des „Tempos“ einer Stadt, in welcher gemessen und verglichen wurde, wie lange Fußgänger in verschiedenen Städten für eine bestimmte Strecke benötigen (S. 71ff). Außerdem streut Adli immer wieder persönliche Erlebnisse, Erfahrungen und Einschätzungen ein, und einige Kapitel schließen mit Experteninterviews, darunter ein weiterer Stressforscher, eine Stadtsoziologin, ein Kulturschaffender, (ehemalige) Bürgermeister von Bogotá und Barcelona, Architekten und Stadtplaner sowie eine Geruchsforscherin. Das Ergebnis ist ein gut lesbares Kaleidoskop.
Interessant sind zum Beispiel die historischen Quellen zum Faktor „Lärm“ in der Stadt.
Von der Weltgesundheitsorganisation wird „Lärm“ als Umweltbelastung gleich hinter Luftverschmutzung eingestuft. Dass Städte als „laut“ empfunden werden, ist dabei keineswegs ein neues Phänomen, wie ein Zitat zu Wien von 1880 belegt. Und bereits 1906 gab es in den USA erste Lärmschutzbewegungen.
Auch wenn der Fokus des Buches auf europäischen Städten liegt, spricht Adli auch über Tokio und New York, und über Slums in Indien oder Brasilien, selbst organisierte Orte, in denen sich Bewohner Stadtraum aneignen und so Zugehörigkeit entwickeln, und von denen moderne Städte trotz aller Mängel auch lernen können.
Das Kapitel 9, in dem es konkret um Stadt und Gesundheit geht („Macht Stadtluft krank? Stadt und Gesundheit“, S. 187ff), beginnt Adli mit einem Vergleich zwischen Sri Lanka, wo er an seinem Buchmanuskript schreibt, und Peking, welches Ende 2015 extreme hohe Smogwerte meldete. Von den verkehrsbedingten Feinstaubbelastungen in manchen Städten – bei den europäischen Städten sollen Paris, Turin, Mailand, Dresden und Stuttgart vorne liegen – geht er über zum Risikofaktor Bewegungsmangel in Städten sowie der Lichtverschmutzung, die zu Störungen der inneren Uhr führt. In diesem Abschnitt gibt es besonders viele Vergleiche zwischen Stadt und Land. Trotz der zahlreichen Krankheitsrisiken in Städten – zum Beispiel der schnelleren Verbreitung von Infektionskrankheiten aufgrund der dichten Besiedelung und der besonderen Probleme der aktuell ca. einer Milliarde Slumbewohner, nämlich schlechte Trinkwasserversorgung und keine Kanalisation, schneidet auch hier das Land nicht unbedingt besser ab. Dafür gibt es wiederum verschiedene Gründe, wie u.a. die generell bessere Gesundheitsversorgung in Städten, und Phänomene wie zum Beispiel die Verarmung ländlicher Gebiete in den USA. Im Weiteren geht der Autor dann in einem längeren Abschnitt auf die in Städten verbreiteten psychischen Erkrankungen ein, bevor er kurz das 1984 in Toronto ausgerufene Healthy Cities Movement und die Schwierigkeiten der Umsetzung der WHO-Kriterien darstellt. Wer hätte denn vermutet, dass nach manchen Kriterien das indische Mumbai als Musterschülerin gesunder Städte zählen würde? Enden tut dieses Kapitel mit einem Ruf nach „Mehr Grün!“.
In Kapitel 10 geht es um sozialen Stress in der Stadt, der sich in zu hoher Dichte bei gleichzeitiger Einsamkeit ausdrückt (S. 220ff). Als Beispiel für eine sehr dichte Besiedlung nennt Adli Hongkong, bemerkt dabei aber an, dass die Hongkonger unter dieser Dichte weniger zu leiden scheinen, als es Europäer möglicherweise tun würden. In einigen Städten Europas steigen die Single-Haushalte, was aber auch nicht Einsamkeit per se bedeute, da Städte besonders viele Möglichkeiten bieten, Kontakte zu knüpfen. In Gefahr, einsam und krank zu werden, ist nach Adli die wachsende Gruppe männlicher Singles, die Hartz-IV-Leistungen erhalten.
In Kapitel 13 „Was wirklich zählt. Das soziale Kapital der Stadt“ geht es um das Zusammenleben von Menschen in Städten. Hier zitiert der Autor dann noch einmal den US-amerikanischen Soziologen Richard Senett (dessen neuestes Buch, „Die offene Stadt“, 2018 im Hanser Verlag auf Deutsch erschienen ist) zu „Zivilität“ in der Stadt (S. 302f). Diese spiegele sich in einem sichtbaren öffentlichen Leben wider sowie in einem Gefühl der Zugehörigkeit. Nach Senett weisen Städte drei Faktoren auf, die Zivilität möglich machen: 1. die unvollständige Form einer Stadt, die stimulierend wirkt; 2. die Grenzen einer Stadt als „lebendige Übergänge“, die durchlässig sind und Austausch ermöglichen; und 3. die sichtbare Entwicklungsgeschichte einer Stadt. Zitat: „Eine Stadt, die von ihrer Vergangenheit zu erzählen weiß, involviert ihre Bewohner und weckt das Interesse ihrer Besucher.“
Ein Aspekt, der sich mehr oder weniger durch die Kapitel in „Stress and the City“ zieht, ist Kommunikation. Menschen brauchen Kommunikation und Städte, in denen Menschen leicht miteinander kommunizieren sind lebenswert(er), wie ein Zitat Adlis zu New York zeigt: „In New York gibt es eine Kultur der Kontaktaufnahme. Ich bin nirgendwo so häufig auf der Straße, im Fahrstuhl, in der Sitzreihe im Theater oder anderswo angesprochen worden, wie hier. Jede Form von Kontakt hilft und beugt damit gegen soziale Isolation und Einsamkeit vor.“ (S. 163).
Abschließend bleibt nach der Lektüre des Buches festzuhalten, dass Stress nichts objektiv Messbares, sondern sehr abhängig vom subjektiven Empfinden des Einzelnen ist. Die „ideale Stadt“ wäre jedenfalls keine stressfreie Stadt. So gehört es zum positiven Stress einer Stadt, dass sie die Auseinandersetzung mit dem „anderen“, mit Fremden, aber auch Neuem bietet, also Herausforderungen, die der Mensch braucht, um zu „wachsen“ und sich zu entwickeln. Als Aufgabe für Stadtplaner, Architekten und Stadtmacher ergibt sich daraus, dass sie Orte schaffen, an denen Menschen unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft, Berufe etc. sich treffen und ins Gespräch kommen können. Um dies zu erreichen, sollten öffentliche Plätze laut Adli multifunktional sein und ein „angenehmes Nebeneinander“ erlauben. (S. 339).
Mazda Adli, geboren 1969 in Köln, studierte Medizin in Bonn, Wien und Paris. Nach seiner Dissertation an der Neurologischen Universitätsklinik in Wien begann er seine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistenzarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Freien Universität Berlin. Seit 2004 ist er Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der, wo er eine eigene Forschergruppe leitet und sich im Dezember 2010 habilitierte.
Website Mazda Adli
http://www.mazda-adli.de/forschung-2/
Alfred Herrhausen Gesellschaft: Forum Neurourbanistik
https://www.alfred-herrhausen-gesellschaft.de/de/neurourbanistik.htm
Maja Linnemann studierte Sinologie in Bremen, Chengdu, Hamburg und London. Sie lebte 14 Jahre in Peking, wo sie u.a. als Redakteurin bei der Österreichischen Außenhandelsstelle und dem Goethe-Institut arbeitete. Von 2013 bis 2018 baute sie als Geschäftsführerin das Konfuzius-Institut Bremen mit auf. Seit Anfang 2019 ist sie freiberuflich als Redakteurin und Übersetzerin tätig. Das STADTMACHER China – Deutschland Projekt begleitet sie seit 2017.
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