1908 verkaufte die deutsche Niederlassungsgesellschaft das letzte Stück Land und löste sich auf. Die meisten Grundstücke gehörten wenigen großen, zumeist deutschen Firmen, die die Konzession wie ein Industriegebiet betrieben. Am weitesten vom Fluss entfernt entstanden die dichten Quartiere für die chinesischen Arbeiter, während sich zum Wasser hin wenige repräsentative Bauten und viele Lagerhallen abwechselten. Das Rathaus konnte 1909 eröffnet werden. Eine im selben Jahr durchgeführte Volkszählung ergab, dass nun 130 Europäer in der Konzession wohnten, dazu kamen 235 Japaner, 516 bei Europäern angestellte Chinesen sowie 2050 weitere Chinesen. Es gab 42 europäische Wohnhäuser, 55 Lagerhäuser, 69 Zusatzbauten, 23 Fabriken und 382 »chinesische Gebäude«. Um 1909/1910 verhandelten die Ausländer (Briten, Franzosen, Deutsche, Russen und Japaner) mit der lokalen Administration vergeblich um die Erweiterung der Konzessionsgebiete. Gleichzeitig gab es in der deutschen Gemeinde eine Diskussion darüber, wie der Charakter und das äußere Erscheinungsbild verbessert werden könnte. Das Ergebnis legte man 1911 in einer baupolizeilichen Vorgabe nieder. Von nun an brauchte man eine am deutschen Baurecht ausgerichtete Genehmigung für Hochbauten, die vor allem den Feuerschutz im Blick hatte.
Der Wuchang-Aufstand im Oktober 1911 war der Anfang vom Ende der Qing-Dynastie in Peking und hinterließ auch in Hankou seine Spuren. Die revolutionäre Unübersichtlichkeit wollten die Ausländer für ihre Forderungen nach Erweiterung der Konzessionsgebiete nutzen, die aber von chinesischer Seite geschickt abgewehrt wurden. 1913 entstand die erste deutsche Schule, aber der Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Europa machte sich nicht nur in der Ökonomie bemerkbar. Die deutsche Administration in Hankou entsandte die Männer nach Qingdao, zur Unterstützung gegen die Japaner, die dort ihre Kolonialgebiete erweitern wollten. Der Bau der deutsch-chinesischen Technischen Hochschule musste wegen fehlendem Material aus Deutschland gestoppt werden. 1915 erzwangen die Briten, dass die von den Deutschen angestellten indischen Polizisten ihren Posten verlassen mussten. Es gab nun fünf Restaurants und man hatte die Straßen mit 365 Bäumen bepflanzt. Bei der letzten Zählung Ende 1915 lebten 11.207 Personen in der deutschen Konzession; darunter elf Amerikaner, 10.726 Chinesen, elf Dänen, 116 Deutsche, 96 Briten, vier Franzosen, zehn Italiener, 170 Japaner, sechs Norweger, zehn Österreicher, 16 Filipinos, neun Portugiesen, fünf Russen, acht Schweizer, fünf Türken, und vier Rumänen. Davon waren 7177 Männer, 2615 Frauen und 1400 Kinder.
„Aus der ehemaligen deutschen Konzession wurde nach 22 Jahren wieder chinesisches Gebiet, die »First Special Zone«.“
Im August 1917 erklärte die chinesische Regierung dem deutschen Reich den Krieg, um so die Souveränität über die deutschen Kolonialgebiete zurückzugewinnen. Aus der ehemaligen deutschen Konzession wurde nach 22 Jahren wieder chinesisches Gebiet, die »First Special Zone«, die kurz darauf durch die »Second Special Zone« erweitert wurde, da die junge Sowjetunion 1920 die Russische Konzession zurückgab. Nach Ende des Krieges repatriierte man die meisten Deutschen. Viele kehrten jedoch in den zwanziger Jahren unter neuen Bedingungen zurück, um ihre Geschäftsaktivitäten wieder aufzunehmen.
Heute hat sich naturgemäß nach so langer Zeit nur noch wenig direkt Sichtbares erhalten. Aber die rigide Grundstruktur der ursprünglichen Rasterplanung blieb auch nach Umbenennung der Straßen bestimmend für den öffentlichen Raum. Damit ist dieses Quartier gegenüber den anderen ehemaligen Konzessionsgebieten immer noch erkennbar.
Quellen
Torsten Warner, Deutsche Architektur in China, Berlin 1994; Bayrische Staatsbibliothek München; Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin; Historisches Institut der Deutschen Bank, Frankfurt a. M.
Über den Autor
Eduard Kögel (*1960), Dr. Ing., Studium an der Gh Kassel im Studiengang Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung. 1999–2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Planen und Bauen in außereuropäischen Regionen der TU Darmstadt. 2007 Dissertation zu Rudolf Hamburger und Richard Paulick in China an der Bauhaus-Universität in Weimar. 2009–2011 Forschungsprojekt zu Ernst Boerschmann an der TU Berlin. Lehraufträge an der TU Darmstadt, TU Berlin und Bauhaus-Universität Weimar. Publikationen u. a.: The Grand Documentation, Ernst Boerschmann and Chinese Religious Architecture, Berlin/Boston 2015 und Architekt im Widerstand, Rudolf Hamburger im Netzwerk der Geheimdienste, Berlin 2020. Seit 25 Jahren Forschung zum Austausch zwischen Europa und Asien. www.eduardkoegel.de