Was für eine Stadt ist Wuhan? Auf diese Frage eine Antwort zu geben, ist nicht leicht, andererseits gibt es aber auch sehr viele Antworten. Ist sie das Zentrum Chinas? Ein historisch bedeutender Ort? Eine strategische Industriebasis? Eine Stadt am Wasser, von der Schifffahrt geprägt? Das Chicago des Ostens? Eine äußerst populistische Stadt? Chinas größte Provinzstadt? Heimat der heißen Gǎnmiàn-Nudeln? Ursprung von Flüchen mit Lokalkolorit? Chinas heimliche Hauptstadt des Punks?
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2020 ist ein Jahr der Krise und der Isolation. Die Welt blickte nach Wuhan, dann zu sich selbst. Denn: Unser Konsum, die industrielle Produktion, der Landraub und die Monokultur befeuert die missliche Lage. Mit der Globalisierung tragen wir alle die Verantwortung der Krise.
Es lohnt sich daher auch einen Blick in die Anfänge der deutsch-chinesischen Geschichte zu werfen, besonders in die der deutschen Kolonialgeschichte in Wuhan. 1895 wurde unter deutscher Militärpräsenz ein zweifelhafter Vertrag aufgesetzt, der dem Deutschen Reich die erste Halb-Kolonie in China erlaubte. Dort wirkten deutsche Unternehmer:innen, Architekt:innen und Planer:innen bis im Ersten Weltkrieg die Verträge aufgelöst wurden. Jedoch bestand bis nach dem zweiten Weltkrieg eine deutsche Gemeinde in Wuhan, deren Wirken und Wirkung bislang stark im Schatten der deutschen Kolonie Qingdao steht.
STADTMACHER China – Europa erarbeitete in Kooperation mit dem Goethe-Institut China von März – September 2020 ein digitales Format, dass das viel zu selten reflektierte koloniale Erbe Deutschlands in China analysiert, kreativ aufbereitet und ins deutsche Bewusstsein rücken möchte. Weitere Themenaspekte des Keep Wuhan Walking Projekts sind beispielsweise eine Verortung von Wuhan im chinesischen Städtegeflecht in Geschichte und Gegenwart und führt entlang verschiedener Orte und chinesisch-europäischen Begegnungspunkten. Sie offenbaren historische Spuren im Stadtraum, werden verknüpft mit Menschen und ihren Geschichten und geben einen Ausblick auf den Wandel einer Megacity im Zeichen von ökologischer Stadtplanung, Design und Innovation.
Das multimediale Wechselspiel aus Audio-Atmosphären, Reportagen, Essays und wissenschaftlichen Einordnungen führt die Flanierenden digital durch Wuhan – ob vor dem Bildschirm, im Lesesessel oder unterwegs über Kopfhörer. Als Autor:innen konnten wir Yang Fan, Dr. Eduard Kögel, Dr. Ines Eben von Racknitz, Liu Lutian, Mu Bo und Fan Bei überzeugen, mit uns den Blick ins Kaleidoskop Wuhan schweifen zu lassen.
2015 recherchierten Yang Fan, Dr. Eduard Kögel, Dr. Ines Eben von Racknitz und Silvan Hagenbrock bereits gemeinsam in Wuhan und Berlin im Rahmen der STADTMACHER-“Wuhan Narrative” Projektes. . Der Austausch vor Ort führte unter anderen zu dem Portraitfilm WENWU – Thousand Stars on My Map, der Yang Fan durch die Provinz Shanxi begleitet und seine Sichtweisen auf das kulturelle Erbe zeigt.
Zuletzt wurde mit neuen Team-Mitgliedern, u.a. den zwei dänischen Teilnehmerinnen der STADTMACHER-Werkstatt im Februar 2020 ein Toolkit erarbeitet, mit dem die Bewohner:innen Wuhans ihre Lieblingsrouten und -Orte innerhalb des Stadtraums festhalten können – als Begehung des Stadtraums aus dem Exil der eigenen Wohnung während des massiv einschränkenden Notstandes. Das Toolkit wurde auf Basis der Methode des Personal Memory Mapping entwickelt und ermöglicht es den Anwendenden, eine Stadt oder einen Ort aus der Erinnerung heraus zu rekonstruieren und Perzeptionen und persönliche Gedanken auf zeichnerisch-kunstvolle Art und Weise festzuhalten.
Autoren und Autorinnen
- Yang Fan – (CECP) China Endangered Culture Protectors, Wuhan
- Dr. Eduard Kögel – Architekturhistoriker und Kurator
- Dr. Ines Eben von Racknitz – Associate Professor, School of History, Nanjing University
- Liu Lutian – Journalistin aus Wuhan
- Mu Bo – Designer aus Wuhan
- Fan Bei – Stadtökologin aus Wuhan
Partner:innen
Institutionelle Netzwerkpartner:innen:
- Deutsch-Chinesisches Mediennetzwerk e.V. (ehemals Deutsch-Chinesisches Medienbotschafter Programm der Robert Bosch Stiftung)
- URBANIXX – Deutsch-Chinesisches Alumninetzwerk Urbanisierung und Stadtentwicklung der TU Berlin
Beratende Voluntär:innen:
- Khedidja Beniche, architect, Msc. Urban Design / Landscape Architecture, CITYMAKERS-Alumni
- Lena Nafe, architect, Msc. Sustainable Design (Aalborg University Kopenhagen), CITYMAKERS-Alumni
- Pedro Cavaco Leitão, architect, artist, Robert Bosch Alumni CITYMAKERS and Actors of Urban Change
Übersetzung:
- Maja Linnemann, sinologue, editor, translator, previous member of “Friend of Old Beijing Heritage Group”, CITYMAKERS Chinese-German freelance editor)
Förderer
Tragender Partner:
- Robert Bosch Stiftung
- Goethe-Institut China
Weitere Unterstützung:
- Dena – Deutsche Energie-Agentur
Idee & Konzept
- Katja Hellkötter – Direktorin STADTMACHER China – Europa Netzwerk @ CONSTELLATIONS
- Sonja Broy – Freie Mitarbeiterin STADTMACHER China – Europa; Vorstandsmitglied, Deutsch-Chinesisches Mediennetzwerk e.V.
- Silvan Hagenbrock – Freier Mitarbeiter STADTMACHER China – Europa; Freier Mitarbeiter der Online-Redaktion des Goethe-Institut China; Vorstandsmitglied Kollektiv Raumstation Wien
- Roman Kierst, Online-Redaktion, Goethe-Institut China
- Li Li, Online-Redaktion, Goethe-Institut China
Umsetzung
- Silvan Hagenbrock, Roman Kierst, Li Li, Yang Fan
Illustration & Grafik
- Wu Yimeng, Studio Wu Design (creative advisor CITYMAKERS)
Wuhan im Kontext: Wuhan’s Bedeutung im frühen 20. Jahrhundert
Die globale Epidemie Covid-19 hat mit Wuhan als vermutlichem Ursprungsort eine Stadt ins Zentrum des weltweiten Interesses gestellt, deren bedeutende Stellung im globalen kosmopolitischen Städtegeflecht des frühen 20. Jahrhundert im Westen nahezu in Vergessenheit geraten ist.
Die deutsche Kolonialgeschichte in China begann in Wuhan
Zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten die drei Städte Hankou, Hanyang und Wuchang – die heute Wuhan bilden – geteilt durch die Flüsse Jangtse und Han, zusammen mehr als eine Millionen Einwohner. Da Seeschiffe über den Jangtse bis weit ins Landesinnere fahren konnten, war der Ort prädestiniert für den Handel.
Deutsche Bank, Konsulat, Rathaus – Die Architektur in der deutschen Konzession in Wuhan
Die beiden bedeutendsten, erhaltenen Gebäude der ehemaligen deutschen Konzession werden inzwischen als Museen genutzt. Das ehemalige Konsulat übernimmt dabei als Museum der heutigen Partnerstädte eine Brückenfunktion zwischen Wuhan und der Welt.
Richard Sachse und die neutrale Zone in Hankou (1938/39)
Über das Werk des Architekten Richard Sachse weiß man bislang wenig. Er wird 1908 in einer Passagierliste für die Ankunft in Shanghai erwähnt. 1912 erweiterte er in der deutschen Konzession in Hankou als Architekt die Unterkünfte für die lokalen Polizisten neben dem Rathaus. Ansonsten ist sein Wirken als Architekt in der Stadt bis 1939 nur fragmentarisch bekannt.
Alte Objekte, neue Bedeutung
Das schnelle Wachstum Wuhans hat den Schutz und die Umgestaltung der Altstadt sowie den Bau und die Entwicklung neuer Stadtteile nicht nur zu einem viel beachteten und diskutierten Thema für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen werden lassen, sondern berührt auch die unmittelbaren Interessen der Bewohner*innen.
Wuhan Memory Maps
Bewohner*innen Wuhans haben ihre Lieblingsrouten und -Orte innerhalb des Stadtraums festhalten können – als Begehung des Stadtraums aus dem
Exil der eigenen Wohnung während des massiv einschränkenden Notstandes.
Fortwährender Ausbau der ökologischen Umwelt
Eine Analyse der ökologischen Umwelt der Heimatstadt der Autorinnen, Wuhan, und einen Blick in die Zukunft.
Dystopisches Wuhan
Endlich hat die Uni wieder begonnen. Es ist der 1. September, 145 Tage nach dem Ende des Lockdowns.